16. Dezember 2008

ERF-Interview mit Astrid Eichler



Astrid Eichler weiß aus eigener Erfahrung um Frust und Tücke des Single – Daseins. Schließlich musste sich die Gefängnisseelsorgerin lange genug selbst damit auseinander setzen. Bis sie merkte, dass ein Leben ohne Ehepartner und Familie kein Leben zweiter Wahl sein muss. Mit der Initiative „Es muss was anderes geben“ möchte sie Singles Mut machen, neue Perspektiven zu gewinnen. ERF.de hat sich mit ihr darüber unterhalten, wie das gerade auch an Weihnachten– dem Fest der Liebe – wahr werden kann.

ERF.de: Frau Eichler, wissen Sie selbst schon, wie Sie dieses Jahr Weihnachten feiern werden?

Astrid Eichler: Ja, das weiß ich schon recht gut. Durch meinen Beruf habe ich eine gewisse Vorgabe, da ich dienstlich eingebunden bin.In diesem Jahr wird das so aussehen, dass ich am Heiligabend und am 25. Dezember jeweils nachmittags einen Gottesdienst zu halten habe. Seitdem ich im Gefängnis arbeite, bin ich in den Weihnachtstagen sehr gern auch über die Gottesdienste hinaus an diesem Ort. Es ist für mich etwas Schönes, mit Inhaftierten am Weihnachtsnachmittag zusammen zu sein. Wir machen dann eine gemütliche Kaffeerunde mit Liedern, mit Spielen und Geschichten. Das findet entweder unterm Weihnachtsbaum im Versammlungssaal oder in einem der größeren Hafträume statt. In den vergangenen Jahren waren diese Weihnachtsfeiern mit den Gefangenen echte Höhepunkte für mich. Das ist für mich Weihnachten - an unschönen Orten Schönes zu erleben. Am Heiligabend liebe ich es, dann eine Zeit zu haben, ganz für mich allein und ganz festlich. Sozusagen eine Geburtstagsfeier für Jesus zu zweit. Am zweiten Feiertag werde ich bei meiner Mutter sein. Sie ist 85 Jahre alt und da ist es mir sehr bewusst, dass jedes Weihnachten mit ihr das letzte sein könnte. Diese Zeit mit ihr ist für mich dann eine Kostbarkeit.

ERF.de: Einer Umfrage zufolge freut sich fast die Hälfte der 12 Millionen Singles in Deutschland nicht wirklich auf Weihnachten, 30 % der befragten verbringen das „Fest der Liebe“ alleine. Woran liegt die besondere Herausforderung für Singles im Blick auf die Advents- und Weihnachtszeit?

Astrid Eichler: Die Herausforderung besteht meiner Meinung nach vor allem darin, bestimmte Bilder und Vorstellungen einmal kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls auszutauschen. Liegt das Problem nicht vielleicht auch darin, dass wir ein sehr einseitiges und auch nicht ganz richtiges Bild von Weihnachten in unseren Köpfen und Herzen haben? Weihnachten gilt als das "Fest der Liebe" - und scheinbar ist der einzige „Ort der Liebe“ die Familie. Alle, die keine haben, sind arm dran. Da lauert das Selbstmitleid vor der Tür. Es ist eine große Herausforderung, sich davon nicht beherrschen zu lassen.

Wenn ich mir das christliche Weihnachtsfest anschaue, dann ist es das "Fest der Liebe Gottes" - und diese Liebe kann ich auch ohne Familie, alleine mit Gott feiern. Und ich kann sie an Orten feiern, wo Menschen sind, die von niemandem geliebt werden. Wie wäre es, sich schon im September in der eigenen Stadt oder Region umzuschauen: Wo sind hier die Leute, die nicht geliebt sind? Dann kann man sich mit anderen zusammenzutun und Weihnachten feiern als Fest der Liebe für andere und mit anderen.

Der entscheidende Ort ist das Herz

ERF.de: Freunde einladen, verreisen, sich selbst zelebrieren, das Leben ordnen, dankbar das Positive sehen oder bewusst auf Partnersuche gehen. Das Internet gibt viele Tipps, wie man dem Single - Weihnachtsblues ein Schnippchen schlagen kann. Was würden Sie einem Single raten, der die Weihnachtszeit ganz bewusst positiv gestalten will?

Astrid Eichler: Es ist wichtig, dass sich ein Single nicht erst am 21. Dezember bewusst macht, dass er an Weihnachten wieder allein sein wird. Das kann dazu führen, dass man dann so einen eigentümlichen Schmerz in sich spürt und Weihnachten zum "tollen Frust" wird.

Es gilt erst einmal Inventur zu machen und das spätestens im Oktober. Das bedeutet, eigene Weihnachtsträume und -bilder anzuschauen, zu sortieren, sich von ihnen vielleicht zu verabschieden. Das sollte ein sehr bewusster Prozess sein, damit man nicht "alle Jahre wieder" an derselben trostlosen Stelle steht. Danach ist es dran neue Träume und Bilder zu entwickeln. Als Christ hat man wirklich traumhafte Möglichkeiten, ein Fest der Liebe zu feiern, indem man kreativ wird und mit anderen zusammen feiert.

ERF.de: Heißt das, dass man als Single Weihnachten nur erfüllt erleben kann, indem man sich an den Festtagen pausenlos um andere kümmert?

Astrid Eichler: Das meine ich nicht. Es ist wichtig, dass man die Tage sehr bewusst verschieden gestaltet: Nicht vom 24. bis zum 26. Dezember dasselbe tun und sich "aufzehren in guten Werken". Aber wenn ich zum Beispiel am Heiligabend in einem Altenheim Besuche mache, im Gefängnis oder bei Obdachlosen unterwegs bin, dann kann ich mir am 25.Dezember einen schönen Gottesdienst heraussuchen. Mittags kann ich dann schönEssen gehen oder selbst ein Festessen kochen, jemanden einladen. Am zweiten Feiertag kann ich dann einmal allen Filme anschauen, die ich schon immer mal sehen wollte usw.

Ich denke nicht, dass es nicht genug gute Ideen zur Gestaltung der Weihnachtsfeiertage gäbe. Nein, der entscheidende Ort ist auch zu Weihnachten, wie immer im Leben, das eigene Herz.

Bin ich enttäuscht, frustriert, voller Selbstmitleid oder versöhnt mit mir und meiner Situation? Bin ich voller Freude über das, was zu Weihnachten geschah? Bin ich zuhause in der Liebe Gottes?

Weihnachten neu erfinden

ERF.de: Haben Singles in der Weihnachtszeit vielleicht sogar Chancen und Möglichkeiten, die Familien verbaut sind?

Astrid Eichler: Ja, ganz sicher! Sie müssen nur bereit sein, diese Möglichkeiten zu entdecken und sie nicht als "zweite oder dritte Wahl"einstufen. Für Eltern ist es einfach vordringlich, ihre Kinder im Blick zu haben und mit ihnen Weihnachten zu gestalten. Singles können das "Fest der Liebe"völlig neu "erfinden".

ERF.de: Dass Singles selbst aktiv werden, um angenehme Feiertage zu erleben, ist das eine. Welchen Beitrag können Familien und Gemeinden dazu leisten?

Astrid Eichler: Bei der kritischen Inventur unserer Weihnachtsbilder und -träume, möchte ich unserer Gemeinden voll mit einbeziehen. Auch in den Familien muss Weihnachten ja nicht immer nur"trautes Heim" in der Kleinfamilie sein. Denn hier fängt es ja schon an, welche Träume und Bilder von Weihnachten Kinder mit in ihr Leben hinein nehmen. Ich bin immer wieder betroffen davon, wie sehr auch Christen sich zu Weihnachten in den familiären Raum zurückziehen. Als hätten alle Familienmitglieder am selben Tag Geburtstag. Dabei hat doch jemand ganz anderes Geburtstag.Wie wäre es zum Beispiel denn einmal mit einer Weihnachts-Lobpreisnacht von 22.00 Uhr bis 2.00 Uhr? Wenn wir uns als christliche Gemeinde nicht so sehr als Veranstalter, sondern mehr als Familien verstehen und erleben würden, würden wir auch Weihnachten viel mehr gemeinsam erleben und feiern. Das Single-Problem "keine Familie" würde es so dann nicht geben.

Etwas Anderes als trostlose Weihnachten

ERF.de: Trotz Bemühungen um schöne Festtage empfinden vielen Singles Weihnachten ohne Partner als ein Defizit. Jesus – um den es an Weihnachten ja geht – verspricht seinen Nachfolgern ein sinnerfülltes Leben. Wie lässt sich das als Single konkret erfahren - kann das Kind in der Krippe wirklich zu einem erfüllten Weihnachtsfest verhelfen.











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Astrid Eichler: Oh ja und ob! Nicht nur zu einem erfüllten Weihnachtsfest, sondern zu einem erfüllten Leben. Beides hängt sehr eng miteinander zusammen. Wenn ich mein Leben als Single als Defizit empfinde, wird es sehr schwierig bis unmöglich, Weihnachten wirklich fröhlich zu feiern. Das gilt übrigens nicht nur für Singles. Wenn ich aber übers Jahr erlebe und empfange, was Jesus für mich an Lebensqualität mit Freude und Liebe und Gemeinschaft und Schönheit hat, dann kann auch Weihnachten ganz allein ein wunderschönes Fest mit ihm werden.

Letztlich geht es eben wirklich um mehr als um Weihnachten. Es geht ums Herz, es geht ums Leben! Dazu kann ich nur mein Buch „Es muss was Anderes geben“ empfehlen. Es muss auch was Anderes geben als trostlose Weihnachten.

ERF.de: Jesus selbst war ebenfalls Single - aber trotzdem nicht alleine. Er hat die großen jüdischen Feiertage wahrscheinlich oft mit seinen Jüngern verbracht. Kann sich ein Single heute von Jesus abschauen, wie man ohne Partner erfüllt leben kann?

Astrid Eichler: Ja, das kann man und zwar bei Jesus, Paulus und vielen anderen Menschen der Kirchengeschichte. Da ist uns heute wirklich etwas verloren gegangen. Eigenartiger Weise denken wir
immer: "Nicht verheiratet = einsam." Das ist das Problem und die Krankheit unserer Zeit. Hier gilt es auszusteigen und zur Gemeinschaft aufzubrechen.

"Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei", diese grundlegende biblische Aussage gilt auch für Singles - und das nicht nur zu Weihnachten. Wenn man nicht mehr alleine ist, dann gibt es gleichzeitig neue Herausforderungen. Gemeinschaft hat einen Preis - das sagen alle, die gemeinschaftlich leben. Aber der Gewinn ist überaus groß! Vielleicht ist das die große Herausforderung für einen Single an Weihnachten 2008: Neues denken, Neues wagen, damit spätestens Weihnachten 2009 ganz anders wird.

ERF.de: Vielen Dank für das Gespräch!

Wer von euch Lust hat, Astrid Eichler live zu erlebe, und dafür nicht nach Berlin reisen möchte ins Gefängnis, vom 23.-25.1.09 gibt es in Altensteig eine Singletagung, die sie mit einem Team gestaltet. Infos unter: www.emwag.de oder www.jmsmission.org oder bei mir, Barbara (auch generell zur EmwAg-Bewegung), e-mail:(singleclub@christentreff.org), ich werde dort dabei sein, wir haben auch voraussichtlich noch Platz im Auto